Garchinger Parteien diskutieren Soziale AntWOrten für Garching

Vertreter aller sechs Parteien, die zur Kommunalwahl antreten, sind am 1. März der Einladung des Garchinger Ortsvereins der Arbeiterwohlfahrt (AWO) gefolgt, um soziale Themen zu diskutieren. Zunächst informierte der Vorsitzende Werner Landmann die Anwesenden kurz über die Geschichte des Sozialverbandes, der kürzlich sein 100-jähriges Bestehen feiern durfte. Auch der Garchinger OV existiert schon seit über 50 Jahren. Die Zahl der Einrichtungen auf Garchinger Stadtgebiet hat in den letzten Jahren zugenommen, neben der Erziehungsberatungsstelle im Römerhof und der offenen Ganztagsschule am WHG fungiert die AWO bekanntlich als Träger des größten Garchinger Kinderhauses Regenbogenvilla, zudem seit letztem Jahr auch für den Naturkindergarten nahe Obstgarten. Ganz neu ist die Zusammenarbeit in der Obdachlosenbetreuung mit der Stadtverwaltung.

Den Übergang zur Fragerunde leitete Moderator Thomas Kempel mit Kurzportraits der Bürgermeisterkandidaten und entsprechenden persönlichen Statements zum Thema Sozialpolitik ein.

Simone Schmidt (Bürger für Garching) erklärt, dass sie einen zentralen Treffpunkt und eine erste Anlaufstelle für Bürger von Jung bis Alt – in Form eines Familienzentrums – oder auch die Belebung des Christkindlmarktes vermisse. Für Bastian Dombret (FDP) hat die Bereitstellung von benötigten Kinderbetreuungsplätzen, deren Bedarf bereits im Vorfeld ermittelt werden muss, eine hohe Priorität. Dietmar Gruchmann (SPD) verweist auf die gute Zusammenarbeit der existierenden Behinderten-, Integrations- und Seniorenbeiräte mit Verwaltung und Stadtrat. Harald Grünwald (Unabhängige Garchinger) stellt seine Ideen vor, einerseits mit der Vernetzung mittels einer Garching-App, andererseits durch einen sogenannten Masterplan (Wachstums- und Projektplan) gemeinsam Konzepte zu entwickeln. Auch er fordert, dass finanzielle Ressourcen und Baugrund für eine ausreichende Kinder- und Seniorenbetreuung gesichert werden müssen. Zum Thema häusliche Barrierefreiheit weist Hans-Peter Adolf (Bündnis´90/Grüne) darauf hin, dass nicht nur öffentliche Gebäude barrierefrei zugänglich sein sollen, sondern auch neu entstehende Privathäuser, um eine spätere, kostenintensive Umrüstung vermeiden zu können.. Zum Thema Behinderung erläutert Jürgen Ascherl (CSU) seine Idee einer Behindertenwerkstatt, auch in Form einer Zusammenarbeit in einem Familienzentrum, und betont zudem die Notwendigkeit der kurzfristigen Betreuung von Menschen mit jeglicher Form von Behinderung.
Umsichtig und schlagfertig führte Thomas Kempel durch eine äußerst abwechslungsreiche Diskussionsrunde zu verschiedenen Fragen in den Bereichen Kinder und Jugendliche; Senioren und Menschen mit Behinderung; Wohnungslosigkeit; Teilhabe von Sozial Schwachen, Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten und räumte viel Raum für ausführliche und zum Teil kontroverse Antworten ein.

Das Thema „bezahlbares Wohnen“ ist in sämtlichen Themenblöcken präsent. Während Harald Grünwald durch kommunalen Wohnungsbau mit Beteiligung der Stadt Garching langfristig die Miethöhen zügeln will, setzt Dietmar Gruchmann eher auf den klassischen Sozialen Wohnungsbau. Jürgen Ascherl ist der Ansicht, dass Firmen, die neu nach Garching kommen, sich um Werkswohnungen und Kinderbetreuungsplätze für ihre Angestellten selbst kümmern sollen. Bastian Dombret reagiert auf diesen Lösungsvorschlag kontrovers und betont, dass diese Firmen bereits mit ihren Gewerbesteuern der Stadtverwaltung ermöglichen, sich um diese kommunalen Anliegen zu kümmern. Im Gegensatz zu Bastian Dombret, der die Vorteile des genossenschaftlichen Wohnens sowie das Element des Wohnungstausches favorisiert, möchte der CSU-Kandidat die Firmen dazu verpflichten, Werkswohnungsbau vorzunehmen, andernfalls ihnen das Baurecht zu verweigern.

In der Frage zur geeigneten Quote, der sogenannten SoBoN, besteht ebenfalls weiter Uneinigkeit. Es handelt sich hierbei um eine Art Vorgabe, wieviel Prozent ein Grundstückseigentümer von seiner veräußerten Fläche beim Verkauf abtreten muss, damit die Kommune darauf sozial gebundene, d.h. vom Stadtrat festzulegende Wohnformen ermöglicht; dies können Genossenschaften, Sozialer Wohnungsbau, Studentenwohnungen, Behindertengerechte Appartements, EOF-Modelle etc. sein. Der Stadtrat einigte sich kürzlich auf eine Quote von 30 %, ein Wert der dem Grünen-Kandidaten zu niedrig, dem CSU-Kandidaten gerade noch akzeptabel erscheint. Die übrigen Vertreter erklärten sich mit dieser Höhe grundsätzlich einverstanden.

Auch beim Thema Integration von Flüchtlingen in die Garchinger Gesellschaft spannt Hans-Peter Adolf den Bogen zum Wohnen, denn durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist es den anerkannten Unterkunftsbewohnern kaum möglich, eine Wohnung in Garching zu finden, was die Integration erschwert. Um Integration zu ermöglichen, plädiert Simone Schmidt dafür, bilinguale und integrative Kindergärten zu fördern und kulturelle Schulungen für städtisches Personal und Bürger anzubieten, um das gegenseitige Verständnis besser auszubilden.

Ein Familien- und Begegnungszentrum soll im Ortszentrum entstehen, hier sind sich alle Kandidaten einig. Der Standort an der Telschowstraße wird als geeignet angesehen, auch die evtl. Kooperation mit der VHS. Simone Schmidt sieht in dem angedachten Familienzentrum Potential für eine Begegnungsstätte, der auch sozial schwachen Menschen den Zugang zum Garchinger Stadtleben erleichtert werden kann.

Beim Thema der unzureichenden Nahversorgung in einigen Siedlungsgebieten am Stadtrand, gehen die Meinungen wieder deutlich auseinander. Die Frage des Moderators, ob sich ältere und behinderte Menschen künftig auf die Lebensmittellieferdienste von REWE, Edeka und Co. verlassen müssen, wurde von den Kandidaten zwar verneint, die Lösungsvorschläge fielen jedoch sehr konträr aus. Jürgen Ascherl reflektiert eine dezentrale Lösung in Form eines oder mehrerer Discounter sowohl in der Stadtmitte als auch am Stadtrand. Hans-Peter Adolf hingegen findet, dass ein kleiner, gerade für Senioren und Menschen mit Behinderung gut erreichbarer Tante-Emma-Laden in jeder Wohnsiedlung eine bessere Idee sei, hält auch ein kleines Lebensmittelsortiment in anderen Geschäften für umsetzbar. Dietmar Gruchmann stellt die Wirtschaftlichkeit und Bürgerakzeptanz solcher Nahversorger in Frage und will lieber durch das Pilotprojekt Sammeltaxi den Bürgern den Weg in die Stadtmitte ermöglichen. Auch Harald Grünwald beurteilt die Idee solcher Tante-Emma-Läden skeptisch.

Nach der Diskussionsrunde hatten die Zuschauer die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Vor allem die Frage einer Mutter nach der mangelhaften Kinderarztsituation wurde engagiert diskutiert. Trotz Verständnis für die Situation verwiesen Dietmar Gruchmann und Hans-Peter Adolf auf die Zuständigkeit der Ärztekammer. Harald Grünwald schlug vor, dass bereits ansässige Ärzte eine Filiale öffnen bzw. weitere Ärzte in einer bestehenden Praxis eingestellt werden könnten, sofern dies rechtlich möglich ist.

Auch über die richtigen Instrumente der Wohnungslosenhilfe wurde leidenschaftlich debattiert. Eine Aufstockung der FOL-Beratungssprechstunden im Rathaus – ebenfalls ein Angebot der AWO – wird von allen Diskutanten befürwortet.

Der AWO-Ortsverein Garching freut sich außerordentlich darüber, dass es gelungen ist, exakt zwei Wochen vor der Kommunalwahl Vertreter aller Parteien und Gruppierungen, die dort antreten, zu einer solchen Veranstaltung zu den drängendsten sozialpolitischen Themen vor Ort zu gewinnen. Eine interessante und fair geführte Diskussion, die dennoch an einigen Stellen recht kontrovers verlief und so konkret wie ausführlich AntWOrten auf Soziale Fragen für Garching lieferte.
Der Vorstand des AWO-Ortsvereins bedankt sich sehr herzlich bei Bürgermeisterkandidaten und den fast 60 interessierten Besuchern – insbesondere für die zahlreichen Wortmeldungen, die diese spannende, lebendige und fair geführte Diskussionsrunde bereichert haben – sowie den städtischen Mitarbeitern und dem Catering-Team des Augustiner für ihr besonderes Engagement an diesem Sonntagvormittag.

Von links nach rechts: Werner Landmann (AWO), Jürgen Ascherl, Simone Schmidt (Bürger für Garching), Dietmar Gruchmann (SPD), Hans-Peter Adolf (Bündnis´90/Grüne), Harald Grünwald (Unabhängige Garchinger), Bastian Dombret (FDP), Thomas Kempel (AWO)

( Text und Bilder von der Arbeiterwohlfahrt Garching (AWO) )

 

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