Bericht „Fachkräftemangel in Kindertageseinrichtungen“

Veranstaltung im bayrischen Landtag auf Einladung von Johannes Becher, MdL BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Vize-Vorsitzender der Kinderkommission des Bayerischen Landtags

Von Daniela Rieth, Stadträtin in Garching, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

Johannes Becher, MdL
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag, Vize-Vorsitzender der Kinderkommission des Bayerischen Landtags und Daniela Rieth, Stadrätin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Garching beim Austauschtreffen mit Vertretern und Mitgliedern des Verband-Kita-Fachkräfte-Bayern e.V.

Fachverbände wie auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) sehen düsteren Zeiten für unsere „Bildungsrepublik“, wie sie Angela Merkel 2008 vielversprechend nannte, entgegen. Betrachtet man die aktuelle Situation in unseren Kindertageseinrichtungen, stellt man nämlich vielerorts eher das Gegenteil fest: Unsere viel gepriesene Bildungsrepublik verkommt zusehends in vielen Regionen zu einer Mangelrepublik mit geringem Bildungsniveau und mangelhafter Betreuung.

Aufgrund des massiven Fachkräftemangels im Sozialpädagogischen Bereich stehen tausende neue Kita Räume in hochwertig gebauten neuen Einrichtungen leer, Gruppen werden nur zur Hälfte belegt, ellenlange Wartelisten frustrieren Eltern und schlecht bezahlte, ausgebrannte Mitarbeiter*innen wandern immer häufiger aus ihrem ursprünglichen Beruf „…der, eigentlich Berufung und Erfüllung sein sollte“ (Zitat aus den Reihen der geladenen Erzieher*innen im Landtag) ab.
Demografischen Berechnungen zufolge fehlen zusätzlich zur aktuellen Situation in den nächsten 5 – 6 Jahren weitere 200.000 Beschäftigte im Bereich der Elementar- und frühen Kindheitspädagogik.
Grundschulen beklagen immer häufiger ungenügend für die Schule vorbereitete Erstklässler im September eingeschult zu bekommen. Zum einen, weil sie erst zu spät einen Betreuungsplatz bekommen haben, zum Anderen, weil sie in den Kitas aufgrund des Fachkräftemangels kaum mehr adäquat auf die Schule vorbereitet werden können. Auch das Fehlen muttersprachlich deutscher Pädagogen birgt ein Bildungsrisiko vor allem für Krippenkinder, die ihre Muttersprache erst lernen und festigen müssen. Präferiert man bei einem „Englisch Kurs“ für Kindergartenkinder „native – speaker“ scheint der Fachkräftemangel hierzulande dies im umgekehrten Falle, nämlich den Kindern ihre Muttersprache grammatikalisch richtig beizubringen, zu relativieren.

Grund genug für mich als Stadträtin einer Einladung in den Landtag zu folgen, um dort mit Vertreter*innen des Verbands Kita-Fachkräfte Bayern e.V. und dem Vize-Vorsitzenden der Kinderkommission des Bayerischen Landtags BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Johannes Becher, MdL der auch Gastgeber an diesem Abend war, über diese Problematik zu sprechen. Es waren an die 30 pädagogischen Fachkräfte geladen, darunter auch einige engagierte Trägervertreter*innen.

Schnell einigte man sich in einem regen Austausch darüber, dass nur eine zeitnahe Optimierung der Rahmenbedingungen und eine kinderentwicklungsfreundliche Anpassung des Anstellungsschlüssels die Situation langfristig verbessern würde. Viele Träger zeigten in der Diskussion Verständnis und Bereitschaft mehr Personal einzustellen. Sie sahen durchaus die Notwendigkeit vor allem im Krippenbereich für mehr Personal aber der Markt sei diesbezüglich erschöpft und gut ausgebildete Pädagog*innen in München aussichtslos zu finden. Zusätzlich seien Hilfskräfte wie z.B. Kita.-Helfer*innen/ Randzeitenbetreuer*innen nicht ausreichend vom Staat refinanziert und daher auch von Trägern zur Unterstützung der angespannten Personalsituation nicht bezahlbar.

Der für das Schuljahr 2026/27 bereits von der alten Bundesregierung im Parlament beschlossene und verabschiedete Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung in Grundschulen verschärft diese angespannte Situation zusätzlich. Der Ausbau einer Ganztagsbetreuung nach Schulschluss ist zwar unumstritten notwendig und absolut sinnvoll, jedoch wurde dieser damals nicht bis in alle Konsequenzen zu Ende gedacht. So fehlen aktuell schon so viele päd. Kräfte, dass kaum ein Kleinkind in München ohne Mühen einen Betreuungsplatz bekommt und Eltern enorme Schwierigkeiten haben wieder in Ihre Berufstätigkeit einzusteigen.

Man wünsche sich aus dem Kreis der geladenen Fachkräfte diesbezüglich von der neuen Regierung eine „ehrliche“ Recherche zum Thema. Direkt an der Basis des Geschehens nachzufragen, also bei den betroffenen Erziehern aber auch bei den Eltern!

Die Notwendigkeit liegt auf der Hand den Basiswert und Gewichtungsfaktor kindgemäß anzupassen. Zusätzliche Kitahelfer und Randzeitenkräfte müssen refinanziert werden um krankheits- oder urlaubsbedingte Ausfälle besser auffangen zu können. Hauswirtschaftshelfer müssen Standard für jede Kita werden.
Neben einer adäquaten Bezahlung, einer flexibleren Ausbildung und zusätzlicher Ausbildungsvergütung braucht es zwingend einer wertschätzenden Haltung gegenüber päd. Personal. Immer noch kommt es vor, dass Erzieher allein mit zehn oder zwölf Krippen-Kindern (also mit Kindern unter 3 Jahren!), und allein in Kindergartengruppen mit 25 Kindern stehen, wenn Kolleg*innen erkrankt sind, gekündigt haben oder in Urlaub gehen. „Die pädagogisch wichtige Bildungs- und Bindungsarbeit am Kind wird von einer Mangelverwaltung abgelöst, wo es nur noch darauf ankommt zu verhindern, dass kein Unfall passiert!“ (Zitat einer Sozialpädagogin beim Treffen im Landtag).

Beim Austausch mit den Fachkräften wurde offensichtlich, dass es bereits in vielen Einrichtungen ein standardisiertes Krisenmanagement gibt, um die Tage und Wochen, teilweise Monate ohne ausreichendes Personal in der Einrichtung überhaupt irgendwie unbeschadet überstehen zu können. Strategisch gut wäre hier sicher, und da waren sich alle Teilnehmer*innen einig, wenn sich in nächster Zeit engagierte Fachverbände aktiv in die Politik miteinbringen und dort neue Schwerpunkte in den Parteiprogrammen anregen würden.
Denn die nächsten Wahlen kommen schneller als man denkt und der Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule steht unmittelbar bevor.

„Obgleich unserer Universitätsstadt Garching eine flächendeckende und fachlich sehr gute Versorgung im Bereich Kinderbetreuung zur Verfügung steht, will ich einen Blick über die Stadtgrenze hinauswagen. Mich für den Berufsstand aller pädagogischen Kräfte einzusetzen, vor allem auch der pädagogischen Fachkräfte bundesweit, wird künftig von mir priorisiert. Es könnte sich schließlich auch die Situation in unserer Heimatstadt Garching ab 2026/27 diesbezüglich verschärfen und dieser Einsatz kommt letztlich allen Kindern und Familien zugute!“ – Daniela Rieth

 

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