Vorwort
Die Stadt Garching hat bereits 2010 in einem Umfangreichen Prozess mit Bürgerbeteiligung ein umfassendes und sinnvolles Klimaschutzkonzept erarbeitet. Leider wurde der Großteil der enthaltenen Maßnahmen seitdem nicht umgesetzt. Dadurch hat Garching einen enormen Nachholbedarf was den Klimaschutz angeht.
Im Jahr 2020 wurde die Verwaltung mit der Überarbeitung des Klimaschutzkonzepts beauftragt. Im Juli 2022 wurde dem Bau-, Planungs- und Umweltausschuss ein Entwurf vorgelegt. Dieser Entwurf wurde fraktionsübergreifend als inhaltlich mangelhaft eingestuft und enthielt außerdem fachliche Fehler. Daraufhin wurden die ehrenamtlich arbeitenden Stadträt*innen und Parteien aufgefordert, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Unsere Vorschläge mit ein paar ergänzenden Informationen finden Sie weiter unten in diesem Beitrag.
Die Änderungsvorschläge beziehen sich auf den im Ausschuss vorgelegten Entwurf:
https://www.sitzungsdienst-garching.de/bi2/vo020.asp?VOLFDNR=6777
Inzwischen wurde von der Verwaltung eine erste Überarbeitung verschickt, die aus unserer Sicht allerdings keine substantielle Verbesserung darstellt:
Klimaschutzkonzept überarbeiteter Verwaltungsentwurf
Sollten Sie weitere Verbesserungsvorschläge oder Korrekturen sowohl zum Entwurf, als auch unseren Anmerkungen haben, lassen Sie uns diese gerne über Vorstand@gruene-garching.de zukommen.
Wir möchten an dieser Stelle anmerken, dass für die Entwicklung eines integrierten Klimaschutzkonzepts entsprechendes Fachpersonal mit genügend Zeit, Daten und Fachwissen benötigt wird. Diese Arbeit kann nicht von ehrenamtlich tätigen Stadträt*innen und Parteimitgliedern übernommen werden. Nichtsdestotrotz haben wir versucht, das bei uns vorhandene Wissen zu bündeln und eine Reihe von Vorschlägen zu machen:
1. Allgemein notwendige Änderungen
1.1. Förderfähigkeit des integrierten Klimaschutzkonzepts
Die Stadt möchte für das Klimaschutzkonzept und die Klimaschutzmanager*innstelle eine Förderungen des Bundes in Anspruch nehmen. Dazu muss das Klimaschutzkonzept allerdings einer Reihe von Anforderungen genügen. Dies ist im aktuellen Entwurf nicht der Fall.
Die gesetzlichen Anforderungen für die Förderfähigkeit eines integrierten Klimaschutzkonzepts sind:
- eine Energie- und Treibhausgasbilanz. Darin wird der aktuelle Stand des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen auf dem städtischen Gebiet festgehalten. Basierend auf dem aktuellen Stand können dann Minderungsziele, Szenarien und Maßnahmen entwickelt werden.
- eine Potenzialanalyse und Szenarien darüber, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können
- Minderungsziele für den Ausstoß an Treibhausgasen für die kommenden 15 Jahre sowie entsprechende Handlungsstrategien
- einen Maßnahmenkatalog, mit allen Informationen gemäß eines vorgegebenen Maßnahmenblatts; die Maßnahmen müssen die THG-Minderungsziele sowie die Szenarienannahmen widerspiegeln
- eine Empfehlung für ein geeignetes Instrument für Controlling und Management
- sowie eine Kommunikationsstrategie.
Aus unserer Sicht behandelt das aktuell vorliegende Klimaschutzkonzept einige dieser Punkte gar nicht und erfüllt andere höchstens in Ansätzen.
1.2. Ergänzung einer einleitenden Präambel um die Dringlichkeit zu verdeutlichen
Das neueste Klima-Update der UN-Weltwetterorganisation (WMO) zeigt, dass die 1,5 °C Marke der Erderwärmung bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre überschritten werden könnte. Die 1,5 °C Grenze ist die Erwärmung, bei der die Folgen für die Menschheit aus wissenschaftlicher Sicht noch beherrschbar scheinen. Ein dauerhaftes Überschreiten dieser Marke gefährdet die Grundlagen unseres Lebens und unserer Gesellschaft und muss deswegen unbedingt verhindert werden.
Um die Folgen dieser Klimakatastrophe einzudämmen muss rasch und mutig auf allen Ebenen gehandelt werden. Dies betrifft in Deutschland insbesondere die Kommunen, in denen die konkreten Projekte zum Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Nur dann können künftige Hitze- und Dürreperioden, Starkregenereignisse und Überschwemmungen sowie aus den Klimaveränderungen folgende globale Flüchtlingsströme begrenzt, und unser Überleben gesichert werden.
1.3. Aufstellung von konkreten Zielen und Zwischenzielen
- Konkrete Zwischenziele vorgeben, wie es auch Bedingung für die Förderung ist. Dabei sind insbesondere die nächsten 5 Jahre detailliert auszuarbeiten.
- Getrennte Ziele für Wirtschaft, (Industriegebiet Hochbrück, Business Campus, Forschungsgelände), Haushalte, öffentliche Verwaltung und Verkehr (mit und ohne Autobahn)
- Datenbasis: Treibhausgasberichts des Landkreises München (2016+2018) https://www.landkreis-muenchen.de/themen/energie-und-klimaschutz/29-klima-energie-initiative/entwicklung-der-co2-emissionen-im-landkreis/
- Die derzeitig im Entwurf angegebenen Zahlen von 43 t CO2e pro Person und Jahr sind nicht nachvollziehbar / falsch (wurde im überarbeiteten Bericht bereits angepasst)
- Haushaltsbudgets an diesen Zielen und dafür notwendigen Maßnahmen ausrichten => in Haushalt 2023 noch verankern
- Teilnahme am Umsetzungsprogramm++ des Landkreises inkl. Energieagentur Ebersberg-München => Dabei handelt es sich um ein Kostengünstiges Angebot des Landkreises für eine Potentialanalyse und konkrete Projektvorschläge
1.4. Jährliches Controlling der konkreten Ziele
- Jährliche Ermittlung des Ist-Stands in Bezug auf die Ziele um den Fortschritt sichtbar zu machen
- Zusammenarbeit mit dem Landkreis München, der Nordallianz sowie der Energieagentur Ebersberg-München wird intensiviert.
- Im Sinne der Transparenz und um die Bürger*innen zu motivieren, werden die aktuellen Daten sowie die Ziele zum CO2-Ausstoß online öffentlich zugänglich gemacht. Ähnlich wie z.B. hier für die Energieversorgung angeboten: https://www.bayernwerk.de/de/fuer-kommunen/digitale-loesungen/energiemonitor.html
2. Änderungsvorschläge Themenbereich Verkehr
- Radverkehrskonzept überarbeiten und bessere Radwege planen und umsetzen
- Radwege getrennt von Straßenverkehr und Fußgängerwegen (heute fast immer gemeinsam)
- => dafür Budget „allgemeiner Unterhalt Straßen-, Geh- und Radwege“ aufteilen und Radwegbudget extra ausweisen (Beispiel Utrecht (NL): 132 € pro Jahr und Person Budget für Radwege)
https://www.radfahren.de/story/infrastruktur-wieviel-investieren-deutsche-staedte-sichere-radwege/
- Carsharing ausbauen
- mit konkreten Zielen versehen z.B. 20 KFZ in 2 Jahren oder 10% der Autos in 10 Jahren
- Kopplung mit Bebauungsplan => Stellplatzsatzung
- Geschwindigkeiten heruntersetzen 50 km/h => 30 km/h (Schleissheimer Str., Münchner Str.)
- Die Stadt Garching soll der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinde durch angepasste Geschwindigkeiten“ beitreten.
- Alle städtischen Fahrzeuge ausschließlich mit Elektroantrieb anschaffen, auch geliehene Fahrzeuge ausschließlich elektrisch
- Garching befürwortet einen schienengebundenen Anschluss nach Neufahrn und Freising
- Ausbau des vorhandenen Schienenanschlusses im Gewerbegebiet Garching Hochbrück um den LKW Verkehr zu reduzieren
- Garching startet Leuchtturmprojekte zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs z.B. wie in Vergangenheit Ausbau der U-Bahn bis Garching
- Ladeinfrastruktur ausbauen => ist schon geplant für die nächsten Jahre, Plan bis 2035 ausweiten
- Es werden Microhubs für Lieferdienste in Garching gefördert / etabliert um motorisierten Lieferverkehr im Stadtgebiet zu begrenzen. (Erklärung z.B. hier: https://micro-hub.eu/ )
- Falschen Vergleich der Antriebsarten (Elektro / Diesel) entfallen lassen. Siehe dazu:
- Studie der UNI BW München von 2022: https://www.unibw.de/home/news/elektrofahrzeuge-weisen-die-beste-co2-bilanz-aus
- Informationen des Elektromobilitätstags Garching mit Vortrag von z.B. Prof. Markus Lienkamp TUM: https://ml-nord.elektromobilitaetstag.de/
3. Änderungsvorschläge Themenbereich Wärmeversorgung
- Wärmeatlas erstellen / aktualisieren mit dem Ziel, eine regenerative Wärmeversorgung planen zu können (Teil des Umsetzungsprogramms++ vom LK München)
- Geothermie wird maximal ausgebaut
- Zuheizen bei der Garchinger Geothermie (EWG) mit Gas durch regenerative Energien ersetzen z.B. Großwärmepumpe
- Abwärme der TUM und Industrie wird zur Wärmeversorgung stärker genutzt. Um das zu erreichen werden bis Ende 2023 mögliche Projekte mit der TUM und der Industrie in Garching identifiziert und gestartet.
- Die generelle Förderung von Solarthermie ist nicht mehr Stand der Technik, somit kann diese entfallen. Aktuelle Förderungen sehen immer Photovoltaik vor, der Strom kann über eine Wärmepumpe bzw. einen Heizstab (mit Überschussenergie im Sommer) zur Warmwasser bzw. Wärmeversorgung genutzt werden.
4. Änderungsvorschläge Themenbereich Öffentliche Verwaltung
- Nur noch zertifizierter Ökostrom aus Neuanlagen für alle öffentlichen Gebäude / Liegenschaften beziehen
- Catering in städtischen Kantinen: ausschließlich regionale Produkte und Angebot an Fleischgerichten einschränken
5. Änderungsvorschläge Themenbereich Nutzenergiegewinnung
- Auf Basis der erhobenen Zahlen für CO2-Ausstoß und bereits regenerativ gewonnener Nutzenergie wird 2023 ein konkreter Maßnahmenplan erarbeitet, wie kurzfristig (2025) die regenerative Nutzenergie gewonnen werden kann (Windräder, ha Freiflächen PV, Geothermie), die für die Ziele der Treibhausgasreduzierung notwendig ist.
- Ausbildung der Stadträte und der für Energiewende wichtigsten Mitarbeiter*innen in der Verwaltung durch das „Energiewende Planspiel“ der Energieagentur Ebersberg-München. Dies soll im Herbst 2022 erfolgen und anschaulich die möglichen Stellhebel und deren Wirkung vermitteln.
- Das Garchinger Förderprogramm wird überarbeitet und die Budgets richten sich nach den erreichbaren Förderwirkungsgraden.
- Qualifizierte Infoveranstaltung mit den Garchinger Grundbesitzern zu Großanlagen (PV-Freiflächen, Agri-PV, Wind) wird 2023 in Kooperation mit der Energieagentur angeboten
- Kontakt mit der Stadt München als Großgrundbesitzer in Garching wird aufgenommen um konkrete Projekte anzustoßen und auf einen Baubeginn 2023 gedrängt.
5.1 Grobe Beispielszenarien zur Verdeutlichung
Im Folgenden wollen wir anhand grober Zahlen den Bedarf an Anlagen zur Energieerzeugung in Garching abschätzen. Die Schätzzahlen basieren auf den uns bekannten Größenordnungen sowie insbesondere auf dem Treibhausgasbericht des Landkreises. Der Universitätscampus als Einrichtung von überörtlicher Bedeutung wird von uns nicht berücksichtigt, hier sehen wir den Freistaat in der Pflicht.
Annahmen Stromverbrauch in den kommenden Jahren:
- 200GWh Strom generell (Privathaushalte + Industrie)
- 100GWh Strom zukünftig zur Wärmeerzeugung, z.B. Wärmepumpen
- 100GWh Verkehr, Elektromobilität
Summe: 400GWh/Jahr
Mit unseren Annahmen bräuchten wir für eine vollständig erneuerbare Versorgung:
- Nur mit Windrädern mit einer Energieproduktion von 12GWh pro Jahr und Windrad:
- 400 GWh / 12 GWh = 33 Windräder
- Aktuell befindet sich ein Windrad in Planung.
- Nur mit Freiflächen Photovoltaik mit einer Erzeugung von grob 1 GWH/ha:
- 400GWh / 1GWh/ha = 4 km²
- Garching hat eine Fläche von 28 km².
5.2 Photovoltaikausbau
- Freiflächen und Agri-Photovoltaik können einen großen Beitrag liefern.
- Große Dachflächen und versiegelte Freiflächen (Parkplätze usw.) müssen vorrangig genutzt werden, da hier keine zusätzlichen Flächen verbraucht werden.
- Alle noch nicht genutzten aber geeigneten Dachflächen der Gebäude / Liegenschaften der Stadt Garching werden 2023 mit Photovoltaik belegt.
- Bau in Naturschutzgebieten nur nach einer qualifizierten Verträglichkeitsprüfung. Es sind bevorzugt Flächen entlang der Autobahn, der Ubahn, oder andere, für Naturschutz und Erholung weniger wichtige Flächen zu nutzen.
5.3. Großspeicher zur Netzstabilisierung
- In Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber (SWM) und der TUM wird ein Großspeicher zur Netzstabilisierung angestrebt.
- => Nutzung des Überschuss an regenerativ erzeugtem Strom, aktuell werden PV-Freiflächenanlagen oft Mittags abgeschaltet, wenn zu viel Strom produziert wird.
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